Ideelles

Geschichte

Um den heutigen Mattenhof verstehen zu können, muss man zurückschauen, mindestens bis zu der Zeit, als die grosse Hoflinde ein kleines Rüetli war. Die „Entwicklung“ eines Hofes geht ganz gemächlich, niemand kann den Jahreslauf abkürzen. Auf einem Hof leben heisst, die natürlichen Bedingungen zu akzeptieren und dankbar die generationenlange Arbeit mit dem Boden, den Pflanzen und Tieren und Bauwerken zu würdigen und fortzuführen.

Eine Bauernfamilie ist für einen Hof ca. 35 Jahre lang verantwortlich. Die natürlichen Bedingungen, die Ausstattung des Hofes, die Ideen der Vorfahren bilden das Erbe, den Grundstock für die neuen Bauersleute. Ohne das, was schon da ist, wird es schwierig und unbezahlbar, einen Hof zu gründen. Und dass man einen Hof, der vielleicht zum «Lebenswerk» einer Bäuerin wurde, weiterzugeben hat, wird einem spätestens klar, wenn man nicht mehr so gut mag.

Darum schildern wir im Folgenden die Geschichte des Mattenhofes, als eine von unzähligen Beispielen, wie die Vergangenheit die Gegenwart bestimmt, ohne dass diese etwas «dafür kann». Der Text von Samuel Vogel zeigt aber auch, welche Umwälzungen ein Mensch, der heute über 80 ist, alles mitgemacht hat:

1930-1940

Die Idee, in den Wässermatten zwischen Kölliken und Oberentfelden einen Bauernhof zu bauen, stammt vom Urgrossvater von Therese Gamp, Friedrich Vogel (1866-1952), der in der Wolfgrube eine Wagnerei betrieb. Ein kleiner Bauernbetrieb diente der Selbstversorgung, und es bestand schon ein gewisser Direktverkauf. Der weitsichtige Mann war der Meinung, dass Bauernhöfe in der Nähe der bewirtschafteten Grundstücke gelegen sein sollten, um die unproduktiven, zeitraubenden Wege für Weidegang, Transporte und für Kulturarbeiten einzusparen. Es gelang ihm, den Grundbesitz in der Matte etwas zu arrondieren, und 1932 wurde sein Plan umgesetzt und der Mattenhof gebaut.

Paul (1903-1998), der Mittlere von acht Kindern von Friedrich, bewirtschaftete den Betrieb. Er hatte sich an der landwirtschaftlichen Schule in Brugg weitergebildet. 1935 heiratete er Ida Müller (1906-2004) von Wiliberg, die für Paul eine wunderbare und tüchtige Partnerin war. Die Krisenzeit der 30er Jahre war sehr hart für das junge Ehepaar. Für den Zinsendienst musste das Geld jeweils mühsam zusammengespart werden.

1940-1950

Mit dem Ausbruch des Weltkriegs wurde alles anders. Die Nahrungsmittel erzeugende Landwirtschaft war wieder gefragt, und es konnten bessere Preise erzielt werden. Der Aktivdienst der Bauern stellte aber viele Familien vor grosse Probleme. Paul war wegen eines Gehörschadens dienstuntauglich und half auf anderen Betrieben aus. In der Zeit, 1940, wurde Sohn Samuel geboren. Der Hof konnte in bescheidenem Masse weiterentwickelt werden. Ein Schweinestall, eine neue Jauchegrube und 2 Betonsilos wurden in der Kriegszeit gebaut, der Pferdestall neu eingerichtet (damit wurde ein Kuhplatz gewonnen). Nach 1945 wurden erste Investitionen von Maschinen möglich. Ein Occ.-Vielfachgerät konnte angeschafft werden und brachte grosse Erleichterungen im Ackerbau. 1947 war ein extrem trockenes Jahr. Damals wurde erstmals, zusammen mit Fam. Müller vom Egelmoos eine Bewässerung aus dem Dorfbach installiert. Und dann, 1948, schafften die beiden Höfe zusammen einen Occ.-Bindemäher an, mit Bodenantrieb, zuerst gezogen von 3 Pferden. Schon bald kaufte Nachbar Müller aber einen Traktor, der nun auch vor dem Bindemäher zum Einsatz kam. Für uns war zu jener Zeit die Motorisierung kein Thema, die finanziellen Mittel wären noch nicht vorhanden gewesen. 1950 wurde immerhin ein Motormäher gekauft.

In diesem Jahrzehnt wurde auch auf dem Mattenhof der Bio-Landbau ein Thema. Im Dorf bestand eine Beratungsgruppe von jungen Bauersleuten. Diese hatten Beziehungen zur Bauern-Heimatbewegung von Dr. Hans Müller. Von dort kamen Impulse zu einer natürlichen Gartenbau- und Kulturlandbewirtschaftung, die in Kölliken bei sechs Bauernfamilien auf offene Ohren stiessen. Paul und Ida Vogel waren von Anfang an voll dabei und nahmen an Tagungen und Weiterbildungen teil.

1950-1967

Diese Epoche brachte viele Fortschritte, auch für die Bauernfamilien. Das Landwirtschaftsgesetz von 1951 brachte sichere Produzentenpreise, die Wirtschaft lief gut und brauchte Arbeitskräfte. Deshalb wurden da und dort weniger rentable Bauernbetriebe aufgegeben, plötzlich konnte man Land zupachten. Auch der Mattenhof vergrösserte sich schnell von 6.5 auf 12 ha Betriebsfläche.

Baulich wurden (1956) nun zuerst einmal die prekären Wohnverhältnisse mit einem Anbau verbessert (Waschküche, WC, zusätzliche Zimmer, später neue Küche). Sohn Samuel, vom Vater schon als Schüler an Bio-Fachtagungen mitgenommen, begann seine landwirtschaftliche Ausbildung. Noch immer gab es auf dem Hof nur Pferdezug (mit voller Überzeugung!), allerdings wurde für Pflugarbeiten oft ein Berufskollege mit Traktor und Egge eingesetzt. Stall und Scheune waren nun auch hoffnungslos zu klein geworden. Paul Vogel machte einen hervorragenden Bauernhofarchitekten ausfindig, der ein überzeugendes Bauprojekt vorlegte. Es sollte sich zeigen, dass damit für die nächsten 45 Jahre keine baulichen oder Tierschutz-Probleme mehr zu lösen waren. Tierplätze und Scheunenraum wurden nahezu verdoppelt. Baubeginn war im Frühling 1960.

Samuel hatte eben die RS absolviert und stieg nun, nach Lehr- und (etwas zu kurzen!) Wanderjahren in den Betrieb ein. Gleichzeitig wurde der ganze Ausbildungsweg über Betriebsleiterschulung, Meisterprüfung bis zur Anerkennung als Lehrbetrieb beschritten. Ab 1962 brachten die Ladewagen enorme Erleichterungen auf die Bauernhöfe. So wurde 1964 der erste Traktor und ein Ladewagen angeschafft. Maschinell bahnte sich eine enge, 40 Jahre dauernde Zusammenarbeit mit Cousin Ruedi Lüscher an, ebenfalls Bio-Bauer, welche beiden Bauernbetrieben viele Vorteile brachte. 1966 wurde gemeinsam ein älterer Occ.-Mähdrescher gekauft, mit dem man nur das eigene Getreide ernten wollte. Weil es damals aber viel zu wenig Drescher gab, wurde schon im folgenden Jahr eine neue, leistungsfähigere Maschine gekauft und das «Lohnunternehmen der zwei roten Massey Fergusons» gegründet. Es sollte 45 Jahre bis 2011 Bestand haben.

Weil die Cousins ihr Getreide immer am nässesten ernten mussten, war der Selbst-Bau einer eigenen Trocknungsanlage 1970 dringend. Das Konzept ist derart genial, dass die Anlage bis heute bei schwierigen Wetterverhältnissen genutzt wird. Auch die übrige, immer umfangreichere Mechanisierung der beiden Höfe wurde mit Ruedi Lüscher geplant und finanziert. 1968 gab bei uns die Anschaffung der 3m breiten Nodet-Sämaschine einiges zu reden. Paul Vogel, sonst allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, fand dieses breite Gefährt für unseren Betrieb völlig übertrieben. Die Maschine ist heute noch im Einsatz!

1967-1993

1967 gab es wieder eine Hochzeit zu feiern. Theres Binggeli (geb. 1941), dipl. Krankenschwester, kam auf den Mattenhof. Damit kamen Haushalt, Garten und Gemüsebau, weitreichende Selbstversorgung, Kindererziehung und wenn nötig auch Krankenpflege in professionelle Hände. Zwischen 1969 und 1991 wurde immer ein Lehrling (in Hausgemeinschaft lebend) ausgebildet und von ihr bestens betreut. 1967 ging der Betrieb pachtweise an Samuel und Theres Vogel über.

1969 wurde Tochter Therese und 1971 Tochter Christine geboren. Später kamen noch Pflegekinder dazu. Samuel engagierte sich in der Berufsbildung, in der Bio-Forschung und in Bio-Kursen. Vorträge führten ihn an verschiedene Landwirtschaftsschulen. Biobetriebe, dazu noch als offizielle Lehrbetriebe geführt, waren in dieser Zeit wahre Exoten. In der Entwicklung des Biolandbaus waren das höchst interessante Jahre. Samuels Vortragstätigkeit führte in jener Zeit zu häufigen Betriebsbesichtigungen, was zu vielen interessanten Begegnungen beitrug.

Die beiden Töchter waren immer mit dem Bauernhof sehr verbunden. Jede hatte ihr Haflinger-Pferd, verwendet wurden sie als Reitpferde, am Wagen für leichte Transporte und in der Landwirtschaft für Hack- und Pflegearbeiten. Bei der Berufswahl stand für Therese immer der Bauernberuf im Fokus, Christine wählte den Weg in die Krankenpflege.

Ende der 60er Jahre entstand eine enorme Nachfrage nach Verarbeitungsgemüse (Biotta). Der Mattenhof stieg auch ein in die Produktion von Saftrüebli und Saftranden. Der Zuckerrübenanbau (seit 1946) wurde aufgegeben, der Kartoffelanbau vorübergehend reduziert. Abflammgeräte zur Unkrautbekämpfung wurden entwickelt. Im Getreidebau musste das Problem der Verunkrautung (Mähdrusch!) gelöst werden. Der erste in der Schweiz eingesetzte 6m breite Hackstriegel kam bei uns zum Einsatz!

Die Selbstvermarktung war seit eh und je ein wichtiges Standbein. Paul Vogel lieferte Kartoffeln und Rüebli noch mit Pferd und Wagen ins Dorf und in die Keller. Später kamen dann noch Randen, Körner und Mehl dazu. Die Vermarktung verlegte sich auf den Hof und fand jeweils hauptsächlich im Herbst statt. Bio-Produzenten waren damals noch eine solche Seltenheit, dass wir um 1980 nebst Kunden aus der Umgebung solche aus Bern, Basel, St.Gallen, Luzern, Zürich und aus dem Tessin belieferten. Die Mattenhof Rüebli waren weit herum bekannt und hatten einen sehr guten Ruf.

Gerade der Ausbau der Direktvermarktung verlangte nach besseren Lagerungsmöglichkeiten. Mithilfe eines örtlichen Bauführers wurde ein Naturkeller-Projekt entwickelt mit Sickerbetonwänden. Die Kartoffel- und Karottenpaloxen können mit einem Kran in den Keller gelassen und dort mit dem Palettrolli verstellt werden. Im Selbstbau wurde darüber eine Rundholz-Maschinenhalle erstellt. Und einen der ersten Offenfrontställe für Schweine auf der Südseite: Durch Samuels Tätigkeit als Prüfungsexperte kam er in Kontakt mit einem Agronomen, der Biogasanlagen plante. Für uns wurde 1975 ein Projekt für einen 120er Maststall mit Biogasanlage entwickelt. Doch die Amtsstellen lehnten das Projekt (zum grossen Glück) ab. Später gab uns ein anderer Agronom den Tipp, die neu entwickelten Offenfrontställe an der damaligen Forschungsanstalt für Landtechnik in Tänikon anzusehen.

1993-2003

Therese hatte inzwischen ihre Ausbildung zur Bäuerin mit Schulungen, Tätigkeit auf verschiedensten Betrieben, sogar auf einer Alp, mit dem eidg. Diplom abgeschlossen. Sie hatte die Idee, in den Betrieb einzusteigen, aber nicht einfach nur als Mitarbeiterin, sondern mit einem eigenen Betriebszweig und in eigener Verantwortung: mit einem Hofladen. Die ganze Familie freute sich über diesen Entschluss. Umgehend wurden die Möglichkeiten einer Vater-Tochter Betriebsgemeinschaft abgeklärt und diese 1993 auch rechtlich eingerichtet. 1994 wurde der Hofladen, zuerst ganz einfach in der Tenne, in Betrieb genommen und das 1. Folientunnel aufgestellt. Therese baute Gemüse an, begann mit dem Backen von Holzofenbrot und -Zopf und mit der Herstellung von Joghurt. Die Idee kam gut an und wurde zu einer Erfolgsgeschichte.

1995 Bau Milchraum mit Kühltank. Schönster Stand an Kölliker Gewerbausstellung.

Irgend einmal bewarb sich ein ETH-Student bei uns um einen Praktikumsplatz. Das wurde ein weiterer Glücksfall für den Mattenhof. 1997 konnte wieder Hochzeit gefeiert werden! Die Betriebsgemeinschaft bestand nun aus 2 Ehepaaren. Für Therese und Christian Gamp musste nun ein Haus gebaut werden. Im Keller wurde ein grosszügiger Backraum mit einem Doppel-Holzbackofen eingerichtet. Ersatzbau Hühnerstall für 120 Legehennen.

1998: Genschutzfest auf dem Mattenhof, Maienzugfahrt mit den beiden Haflingern und Therese und Christine. Bau grosser Güllenlagerbehälter.

1999: Kauf Teigknetmaschine, Sturm Lothar 26.12.

Familiär gab es erfreulichen Zuwachs: Tobias wurde 1999 und Michael 2002 geboren. 1998 war Paul Vogel im hohen Alter von 95 Jahren verstorben – ein Kommen neuen Lebens und ein Abschied.

2000: Kauf von 2ha Pachtland auf der Südseite der Hofgebäude zu einem «wahnsinnigen» Preis von 300000 Fr. Gasanschluss, Gasheizung. Bau Wasseranschluss an öffentliches Netz.

2001 Bau Lotharschopf (Rundholzkonstruktion)

2002 «Verkranung» Bienenhaus

2003 wurde die Betriebsübergabe an die nächste Generation zum bestimmenden Thema. Auch dieser Schritt konnte einvernehmlich über die Bühne gebracht werden.

Ab 2003

Aufgabe der «Milchproduktion» und Umstieg in die Mutterkuhhaltung

2004 Tod von Ida Vogel-Müller, Neubau Mutterkuhstall

2005 Geburt von Annamaria

Tod von Manuel Travessa, dem Mann für alles auf dem Mattenhof seit 1993. Er starb mit 52 Jahren an Krebs.

Arbeitete der Mattenhof zeitweise mit Praktikanten aus dem Ausland, die 4-6 Monate bei uns lebten und arbeiteten, fanden wir 2010 Levente und Annamaria aus dem ungarisch sprechenden Teil Rumäniens. Sie kamen bis 2018 jedes Jahr als Saisoniers zu uns.

2007 Zügeln des Tenn-Hofladens in den alten Stall. Geburt des Pferdes Soraya.

2008 Geburt Simeon

2009 2. Folientunnel

2010/11 Dachsanierung Stallgebäude

Teilnahme an einem «Vernetzungsvertrags-Projekt», an dem drei weitere Kölliker Bauernbetriebe mitmachen, Neuanlage von einer Ökowiese bei der Landi und von Hecken um den Hof.

2016 Verlust von 2ha Pachtland an der Autobahn infolge Kiesabbau.

2018 Aufgabe der Rüebli- und Kartoffel»produktion» für den Grosshandel.

2021 Aufgabe der Schweinehaltung für den Handel (Fidelio AG).

Ideen zur Land-Wirtschaft

Ideen und Geschichte hängen zusammen, die menschlichen Ideen entwickeln sich unter anderem aus der Erfahrung, aus der Erinnerung – aber lassen wir dieses philosophisch Bibliotheken füllende Thema. Wohl kaum ein anderer Beruf erlebt die Gebundenheit an die Vergangenheit stärker als die Landwirtschaft. Zum ideellen Erbe, zur Erfahrung, zum Wissen kommen hier noch die materielle „Vergangenheit“ dazu – die Fläche, die Ausstattung an Gebäuden und Maschinen und die natürlichen Gegebenheiten, Fläche, Klima, Boden, Exposition.

Eine Bäuerin kann realisieren, dass sie in einem Kreislaufsystem der Natur, „Werden-Vergehen“, lebt. Sie weiss, ohne Hilfsstoffe von aussen (Dünger, Pflanzenschutzmittel, Treibstoffe) kann es nur ein Optimum geben, aber kein „Wirtschaftswachstum“. Sie weiss auch nur zu gut, die natürlichen Bedingungen (Boden, Klima, Exposition, Pflanzen, Tiere, Entwicklungszeit) sind durch sie nicht wesentlich veränderbar (sie nehmen zudem an Menge und Qualität eher ab, denn zu), sie muss sie so akzeptieren und dankbar hinnehmen, wie sie sind, sie muss ihnen Sorge tragen und sie weitergeben. Zudem sind die finanziellen Mittel in der Landwirtschaft in der Regel sehr gering, einen Betrieb zu kaufen oder zu vergrössern ist nicht einfach so möglich. Paradoxerweise passt das Bauer-Sein eigentlich nicht ins „System Wachstum“, obwohl alles auf einem Hof wächst.

Diese Gebundenheit der Landwirtschaft, zusammen mit dem Kreislaufsystem der Natur unterscheidet einen Hof z.B. von einer Maschinenfabrik, und darum sind viele marktwirtschaftliche Steuerungen, Freihandels-Ideen, für die Bauern in der ganzen Welt Gift – und damit auch für die, die sich nicht selbst mit Lebensmitteln versorgen können… In der Solidarischen Landwirtschaft, neudeutsch bei den aktuellen CSA-Projekten (community supported agriculture), wird sogar der Markt, wo Angebot und Nachfrage den Preis eines Produktes bestimmen, ausgeschaltet, indem die Konsumentinnen mit den beteiligten Landwirtschafts/Gemüse-Profis abmachen, wieviel von was angebaut werden sollte, und den Jahresaufwand vorfinanzieren. Land-Wirtschaft ist also eigentlich ein blödes Wort, weil „Landbau“ mit den Prinzipien der Wirtschaft nicht so viel zu tun hat und mit freiem Handel noch viel weniger.

Höfe, die geführt werden, als wären sie „Betriebe“, die „produzieren“, die eine „Milchproduktion“ betreiben oder eine „Tier- bzw. Pflanzenproduktion“, geraten in den Skaleneffekt-Sog des Immer-Grösser-Werdens: Die Fläche muss mehr und mehr werden, die Kühe, Schweine, Hühner immer mehr, die Stallungen immer grösser, die Traktoren und Maschinen immer schlagkräftiger. Doch den „wirtschaftlichen“ Vorteilen in der einen Waagschale stehen die Tiefenbodenverdichtungen durch die mittlerweile zu schweren Maschinen, die ökologischen Schäden durch grosse Monokulturen, der hohe Kapitalbedarf, der Bedarf an gut ausgebildeten Spezialisten (Maschinisten), der hohe Fremdenergieeinsatz (Futtermittel, Treibstoffe, Dünger, Pflanzenschutzmittel) und die Probleme der Massentierhaltung in der anderen gegenüber. Die Lebensmittel aus einer solchen industriellen Landwirtschaft sind nur auf einen schnellen ersten Blick effizient, wenn man genauer hinschaut, braucht eine solche Landwirtschaft mehr Energie als sie „produziert“ für den Menschen. Sie ist nicht nachhaltig, da man auf diese Weise nicht mehr Jahrzehnte weiter machen kann. Die Uniformität ihrer „Produkte“, ihrer „Ware“ macht sie anfällig auf Marktspielchen, da für den Konsumenten nur noch der Preis verschieden ist. Sie trägt zur weiteren Entfremdung des Menschen, auch ihrer Arbeiter, von der Natur bei.

Wenn man die „Landwirtschaft“ ökologischer gestalten möchte, müsste die Politik nicht immer dichter regulieren, sondern das Aussteigen der Bäuerinnen aus dem Wirtschaftssystem ermöglichen.

Es ist naheliegend, dass die Fundamentalkritik an der heutigen „globalisierten Marktwirtschaft“, am „Raubtierkapitalismus“, an der „Wachstumsökonomie“, am Wirtschaftssystem der reichen Länder oft von Menschen kommt, die mindestens mit einem Bein in der Landwirtschaft stehen. Bäuerliche Menschen haben nicht viel zu verlieren, wenn sie Kritik äussern, und sie stehen mehr oder weniger ausserhalb des kritisierten Systems, vor allem in den armen Ländern.

Vermutlich ist auch der Gerechtigkeitssinn des Menschen, die Fähigkeit zu vergleichen (das kann auch schon ein Insekt), dafür verantwortlich, dass die Bauern von den ersten sind, die die heutige „Wohlstandsgesellschaft“ kritisieren. Ferien kennen viele nur vom Hören sagen, mit einer 6*10 Stunden Woche und am Sonntag noch 5, hat man keine Zeit und Energie mehr für Hobbies, von denen alle rundherum erzählen, Autos, die mehr als transportieren können, liegen nicht drin und den Jahresdurchschnitts-Stundenlohn darf man nicht ausrechnen, sonst sind wir die letzten…

Warum ist die Arbeit jener, die fast das Wichtigste für die Menschen erzeugen, so wenig wert – das gilt nicht nur für die Bäuerinnen, das gilt auch für andere „systemrelevante“ Berufe? Warum gelten bei uns gewisse Berufe viel und andere wenig? Was kann ein Mensch „dafür“, dass er keinen akademischen Weg einschlagen kann und/oder will? Warum wollen heute so wenig Menschen einen handwerklichen Beruf lernen – obwohl die Handwerkerin ja auch froh ist für einen brillanten Kopf und vielleicht sogar mehr Geld verdienen kann wie jemand mit einer „höheren“ Ausbildung?

Könnte es sein, dass unser „Wirtschaftssystem“, die Geldidee, unsere technischen Möglichkeiten, der Informations-Overkill etc. uns je länger je mehr in die Irre führen? Schaffen wir zur rechten Zeit einen Umbau?

Noch zur Frage, warum die Arbeit mit der Scholle, entgegen der bei uns ja auch feststellbaren „Landromantik“, weltweit als minderwertig gilt, warum die Menschen vom Land in die Stadt flüchten. Vermutlich ist das existentielle Ausgeliefertsein beim Bauern, Unwetter, Dürren, Schädlinge, die alles wegfressen, Krankheiten, die alles zum Absterben bringen, die Ungewissheit, ob die Vorräte reichen bis zur nächsten Ernte, … so tief im Menschen drin, dass sie sich nach etwas Sichererem sehnen. – Natürlich kann das auch nur ein Bauer, der durch die Allgemeinheit und eine aufwändige Technik abgesichert ist, so schreiben. Steckt man selbst bis zum Hals in Problemen, hat man keine Möglichkeiten mehr, diese zu lösen, obwohl das vielleicht möglich wäre und ein erfülltes Leben ermöglichen würde.

Prinzipien des «Mattenhofes»

Wir wollen ein vielseitiger Hof bleiben, weil damit der Austausch von Betriebszweig zu Betriebszweig (z.B. Mist als Dünger für Pflanzen, Verfüttern von Sortierabgängen) möglich ist, die Vielseitigkeit der Arbeit (siehe Kapitel Leben Arbeiten Wohnen) erhalten bleibt und das wirtschaftliche Risiko verkleinert wird. Vielseitig meint auch biodivers: Nicht zu grosse Schläge, vielseitige Fruchtfolge, eine «Vernetzung» mit ökologischen Elementen (Hecken, Bäumen, Wiesen, Nassstellen, Trockenmauern etc.). Ein ökologischer Betrieb kann sich gleich doppelt zur sogenannt «produzierenden Landwirtschaft» zählen, neben Lebensmitteln und Futtermitteln «produziert» er Artenreichtum der Flora und Fauna, Bienenfutter, Brennholz, Augenweiden und viel weniger Kollateralschäden…

Wir wollen ein ganz normaler (Bio-)Betrieb oder -Hof sein, ohne Exklusivitäten und Wundermethoden, ohne eine momentane Mode einer vermögenderen Kundschaft zu bedienen oder eine verrückte Spezialisierung zu riskieren. Mit «normalem» Betrieb ist auch ein «nachhaltiger» Hof gemeint, der schnell auf Veränderungen reagieren kann und ein Optimum an Lebensmitteln in einer intakten Natur erzeugen kann.

Wir wollen die Gunst der Lage – absolut flaches, fast steineloses, fruchtbares Ackerland mit guter Wasserversorgung nützen, also nicht zu viel extensivieren, eher den Gemüsebau und allenfalls Beeren ausdehnen.

Wir wollen die Beziehung zu den Menschen ohne Hof, die es seit Anfang auf dem Mattenhof gegeben hat, zu «ihrem» Hof beibehalten und verstärken. Einerseits, weil wir es wichtig finden, dass der Mensch eine Naturbeziehung hat, andererseits, weil es schön ist, für Menschen, die wir persönlich kennen, Lebensmittel zu erzeugen. Unsere Homepage haben wir darum möglichst informativ und ohne leere Worte verfasst, damit diejenigen Menschen in unserer Nähe, die sich in einen Hof hineindenken wollen, die Möglichkeit dazu haben. Das «Prinzip Nähe» ist das Gegenprinzip zur Globalisierung und muss wieder viel wichtiger werden. Einem CSA-Projekt wären wir offen eingestellt.

Wir wollen bei der Weiterentwicklung des biologischen Landbaus mithelfen. Es ist befriedigend, «mitreden» zu können. Zu tun gibt es noch einiges, damit aus dem Biolandbau auch ein Ökolandbau wird (Sorten- Artenschutz, Bodenschutz, möglichst geringer Dieseleinsatz, bzw. Verwirklichen des uralten Begriffes der Kreislaufwirtschaft).

Den Hof selber möchten wir immer ökologischer gestalten. Die frühere 30jährige Holzheizung, die wir aus Geldmangel durch eine Gasheizung ersetzten, möchten wir in den nächsten Jahren mit einer neuen Holzheizung wiederaufleben lassen. Seit 2013 wärmt die Sonne unser Heisswasser. Und auf dem Dach des Schweinestalls und des angebauten Maschinenschopfes liessen sich ideal Fotovoltaikflächen installieren, um unseren erhöhten Strombedarf für die Direktvermarktung (kühlen, pasteurisieren, einkochen) und die Bewässerungspumpe zu «ökologisieren». Am schwierigsten scheint uns Knecht Diesel zu ersetzen sein, es sei denn, auf dem Mattenhof arbeiteten wieder viel mehr Menschen. Leider scheint auch die Biogas-Energie recht technologieaufwändig zu sein und der Umgang mit Pferden braucht viel Erfahrung und eine Begabung.

Wir wollen den Hof als gute Existenzgrundlage – und als nachhaltige und sinnvolle Arbeits-Lebens-und Wirtschaftsform, die es in unserer Welt unbedingt zu erhalten gilt, unseren biologisch/ökologisch weiterbauernden NachfolgerInnen weitergeben können. Wir wollen in guten Beziehungen auf dem Hof, in der Nachbarschaft, im Dorf leben und arbeiten. Wir wollen offen sein für verschiedene Menschen um uns herum und für neue und andere Ideen. Wir sind uns bewusst, dass wir mit unserem Hof, mit unseren Feldern die Umwelt von anderen Menschen gestalten und möchten einen Beitrag an eine schöne, «herzerwärmende», kreative, spannende Umgebung leisten.

Maschinen

Das Thema passt gut zum Ideellen, sind doch Maschinen nichts anderes als die funktioniernde Verwirklichung der Idee, dass man eine bestimmte Arbeit auch einfacher obwohl komplizierter, mit grösserem technischen Aufwand machen könnte…

An der Beziehung des Bauern (hier passt die weibliche Form nicht so gut) zu einer Maschine, kann man vieles über seinen Charakter rauslesen: Der Mattenhofbauer z.B. weiss, es gibt nur eine «beste» Maschine für einen bestimmten Zweck, und darum kann die Evaluationsphase lange, lange Jahre dauern. Zuvor muss die Vorläufer-Maschine, wenn es sie gibt, sowieso zuerst irreparabel kaputt sein, weil man nicht einfach ein funktionierendes Gerät wegwirft. Die Reparatur- oder sogar Optimierungserfolge können einen lange Zeit über die Schwächen einer in die Jahre gekommenen Maschine hinweg trösten.

Die typischste Maschine für einen Hof ist der Traktor, und die alten Massey Fergusons des Mattenhofs kennt sicher jeder Kollege im näheren Umkreis. Neue Traktoren sind uns zu teuer, weil wir sie ja viel zu wenig brauchen, zudem erfüllen die alten ihren Zweck perfekt, sie sind so leicht und so stark wie möglich, unser neuester MF ist uns eigentlich schon zu schwer für den Boden.

Die meisten Mattenhof-Maschinen sind (ur)alt, die Spatenrollegge, der Grubber, die Federzahnegge, der Striegel, die Sämaschine, der Pflug, die Hackgeräte, das Kartoffelsetzgerät, das Abflammgerät, der Motormäher, der Güllenschlauchhaspel, der Schleppschlauchverteiler, die Spatenmaschine, der Mistkran, die Holzbrückenwagen, der Ladewagen, der Zweiachskipper, der Grimme-Kartoffelvollernter, der Heckstapler. Neueren Datums sind der Kreisler, die 1.5m Bodenfräse, der Bewässerungshaspel mit Regnerbalken und ganz neu der Schwader und das Doppelmessermähgerät (diesen BCS-2.4m Mähbalken haben wir gründlich ausgesucht, weil es hier grosse Unterschiede bei den verschiedenen Fabrikaten gibt). Die teuerste Anschaffung der letzten Jahre war der Ersatz der revisionsbedürftigen Meier-Zylinderpumpe für Gülle und Wasser durch eine leicht leistungsfähigere mit Frequenzumformer und Ölbad, sodass das Pumpen für Bewässerungszwecke sicherer und einfacher wurde. Die Faszination dieser Maschine durch die technischen Details, alle made in Altishofen, die persönliche Beziehung zur Firma und die genau passende Funktionalität wiegen den Preis längstens auf.

Bei weitem nicht alle Maschinen brauchen wir alleine zu nutzen, gewisse Maschinen vermieten wir; das Güllenfass, den Mistzetter, den neuen Treffler-Striegel, das 4plätzige Jätmobil z.B. leihen wir aus.

Die Wartung, Betreuung all dieser Maschinen erfordert das berühmte «technische Feeling», über das ein Bauer halt auch noch verfügen sollte. Und an folgendem studiert diese Technik-Abteilung im Hirn auch noch herum:

  • Nicht an Roboter-Jätmaschinen, aber an batteriebetriebenen Gemüsebau-Fahrzeugen, mit denen man z.B. Hacken und Säen könnte und das in Kisten geerntete Gemüse raus- und heimfahren.
  • An einer einfachen Bewässerungsmaschine für 1-6 Beete (1.5-9m), die einen Balken mit kleinen Schläuchen über die Beete zieht.
  • An einer Kleintechnologie-Getreidereinigungsmaschine, die mit einem optischen Ausleser arbeitet, die Leistung braucht nicht grösser zu sein wie mehrere 100kg pro Tag, wenn die Qualität der Sortierung dafür 100% ist!
  • An einer Kleintechnologie-Mühle, die Weiss- bis Ruchmehl in der üblichen Ausbeute herzustellen vermag, hier darf die Tagesleistung noch kleiner sein.
  • An einem ultraleichten 6m-Schleppschlauchverteiler für Güllenfässer mit 6-12 Pendelschläuchen.
  • An einem Holzhackgerät, das das Astmaterial langsam in einen Kanal reinzieht (komprimiert) und mit einem hydraulischen Messer in 10-15cm lange Stücke schneidet. So könnte eine Person ohne Lärm «gemütlich» und gefahrarm Hackholz herstellen.
  • An einer Holzheizung für Spälten, aber auch geeignet für Hackholz und feinere Holzabfälle. Oder eine (Stückholz)Holzheizung, die neben Wärme auch noch Strom machen kann, sog. Wärme-Kraft-Koppelung
  • An einem Holzbackofen, der indirekt, nur durch Rauchgase beheizt wird und dadurch die Holzenergie möglicherweise effizienter nutzen kann (wie im Publikumshof Burgrain in Alberswil zu sehen).
  • An einem neuen Wagensystem für den Hofladen. Das alte System wirkt sich zunehmend als Hindernis beim Verkaufen und Etikettieren aus. (2022 realisiert)
  • An einer Vereinfachung der täglichen Stallreinigung der grossen Laufgangflächen, hier wäre der «Mistroboter» schon eine Möglichkeit. Momentan kommt er aber vermutlich noch zu teuer im Vergleich zur Handarbeit, zudem müsste vermutlich zusätzlich ein Stroh Zerkleinerer für die Gülle angeschafft werden, weil der Roboter halt das Stroh nicht rausgabeln kann.
  • An einer Photovoltaikanlage mit Speicherung der überschüssigen Energie in Form von Kälte, die für die vielen Kühlgeräte der Direktvermarktung verwendet werden könnte.
  • An einer Kleinbiogasanlage, (im Unterschied zu den üblicherweise in der Landwirtschaft anzutreffenden Grossanlagen, die zum Riesenhof auch noch angewiesen sind auf die Zuführung von tonnenweise «Kosubstrat») wie sie schon Samuel Vogel im Kopf hatte. Es wäre natürlich zu schön, wenn man einen Traktor mit eigenem Biogas aus 200bar Druckflaschen betreiben könnte. Diesel, was war das schon wieder? Siehe www.quh-energie.ch, Haral GmbH.
  • An einem Wasserspeicher-System, das das Meteorwasser der Dachflächen (ca. 2000m2), das eigene Quellwasser und «Überflusswasser» des Safenwilerbaches für Bewässerungszwecke (und zur Karpfenzucht) speichern könnte. Vielleicht können wir hier einfach warten, bis die benachbarte Kläranlage ausrangiert wird (wenn ihre Abwässer nach Aarau fliessen), und ein dann überflüssiges Becken nützen… In jedem trockenen Sommer kommen diese Ideen fast zwangsläufig.
  • Im Sommer, wenn der Laden voll Schnaken, die Ställe voll Fliegen und die Kühe voll Rossbremsen sind (dann tun sie einem wirklich leid, wenn sie eingesperrt im Fressgitter, sich kaum gegen die Plagegeister wehren können), dann wünscht man sich schon ein kleines, unermüdliches und perfides Fanggerätchen, das die Lästlinge irgendwie anlockt und tötet.